Donnerstag, August 18, 2011

 

Haarich...

Anja sagt, ich sei eine faule Sau. Nicht ganz so direkt, aber sie hat klar den Wunsch geäußert, wieder mal einen verbalen Erguss aus meiner Tastatur zu verkonsumieren. Da ich ein harmoniebedürftiges Teil bin, außerdem mit einem nicht abzuleugnenden Appell-Elefantenohr ausgestattet - und nicht zuletzt, weil ich mich durch die Aufforderung sehr geschmeichelt fühle, mache ich mich also gerne an den nächsten Blog.

Aber worüber schreiben? Spocht war schon. Arbeit habbich keine Lust jetzt. Geld habbich nich. Über Sex soll ich nich. Datt is Anja peinlich, weil ich doch auf ihrem Blog verlinkt bin. Macht aber auch nix. Über Sex schreiben Woche für Woche mindestens vierzehn verschiedene Frauen-, Wellness- und Klatschmagazine. Gerne mit dem Anspruch zu wissen, was ER im Bett wirklich will, wie SIE endlich wirklich zum Orgasmus kommt, oder in welchen Situationen DirtyTalk der absolute Bringer ist. Gut, dass die das wissen. Ich weisetnämmichnich. Die meisten SIEs kenne ich ja noch nicht mal persönlich.

Stattdessen weiß ich etwas über die zuweilen knifflige Organisation der, sagen wir mal, Peripherie des Ganzen. Wenn auch nicht ganz so allgemein verbindlich wie in der Mädelspresse, denn vielleicht bin ich ja auch die einzige Betroffene. - Fakt ist, dass der liebe Gott vor Bett, Orgasmus und datt ganze Gedöhns den Sex-Appeal gestellt hat. Und hier lässt sich, wie in so vielen Themen, über Geschmack zweifelsfrei vortrefflich streiten. Für mich gehört straffe Haut dazu. Und glatt soll sie bitteschön sein.

Und damit komme ich zum Punctus kniffeligensis: Haare. Überall dort, wo sie nicht hingehören. Meine Mutter liebt mich, drum sagt sie, ich sei eine "rassige" Frau. Ich sehe noch nicht das Tolle daran. Denn rassig scheint demnach zu bedeuten, dass sich, kaum, dass die Pubertätsakne weitestgehend ausgestanden ist, Deine Haare auf eine fortan dauernde Wanderung in die unteren Regionen Deines Körpers begeben. Auf dem Kopf werden sie weniger, an den Beinen mehr. Auch in der vielzitierten Bikinizone. (Bei mir heißt die übrigens inzwischen Gästehandtuchzone.) Und nein: Ich fühle mich nicht wie eine Göttin, welchen Rasierer ich auch immer schwingen mag. Denn Rasieren ist eine Wissenschaft für sich. Vor allem, wenn man mit bestenfalls 70% Sehstärke ausgestattet unter der Dusche steht und das mal "eben schnell" erledigen will. Im vorletzten Sommer lag ich mit frisch rasierten Beinen am Strand, las ein Buch, irgendwann schweifte mein Blick Richtung Meer und vorbei an meinen Beinen. Zuerst dachte ich, da hat sich Tang verfangen. Bei genauerem Hinsehen erwies sich das dunkle, zottige an meiner Wade als verirrtes Gewöll, dass ich im morgendlichen Blindflug nicht erwischt hatte. Peinlich! Das muss anders gehen.

Ich habe es mit Enthaarungscreme versucht. "Sparsam auftragen" steht auf der Packung, und ich mache mich optimistisch ans Werk. Nach einer Viertelstunde (10 Min. ist die max. empfohlene Einwirkzeit) setze ich beherzt den Spatel an. Nichts. Meinen Haaren gehts so gut, als ob sie eben eine Kurpackung bekommen hätten. Also mehr. Egal, wenn die Tube nur für ein Bein reicht. Ich warte 25 Minuten. Spatel ansetzen und jöh! Tatsächlich brechen vereinzelte Härchen einen knappen Millimeter über der Hautoberfläche ab. Zwischen ihren stoppeligen Resten: Gerötete Haut. Der Durchschnittssanitäter hätte wohl beim Anblick meines Beins auf Verbrennungen ersten Grades getippt, wäre ihm nicht gleichzeitig der vom Hersteller als "dezent" beschriebene Duft beißend in die Nase gestiegen.

Heißwachs. Logisch! Den nehmen doch die Profis auch! Dass ich da nicht eher drauf gekommen bin! Also erst zum dm. Heißwachs: 18 €. Dann nach Hause, entblättert, Anwendungshinweise gelesen, wieder angezogen, ins Auto, ab zum Baumarkt. Von makellos glatter Haut trennen mich nur noch ein digitales Thermometer, um die Wassertemperatur für das Erhitzen des Wachses kontinuierlich überprüfen zu können, außerdem ein temperaturbeständiger, dabei formflexibler Behälter, in den ich den sperrigen Heißwachsbehälter zum Erhitzen stellen kann. Versuch macht kluch, drum nehme ich noch einen Verbandskasten mit. Man weiß ja nie... 37€ bezahlt, dann ab nach Hause, entblättert, Anwendungshinweise gelesen, Verpackungsinhalt gecheckt, Scheiße gebrüllt. Für die Enthaarung meiner rassigen Beine hat die Firma Gedöhns genau 4 Auftrage-und-mitsamt-den-Haaren-Abzieh-Streifen vorgesehen. Format ca. 2x17 cm. Wo produzieren die!? Äthiopien!?? - Macht nix, denke ich, schneide ich halt einen Abtrockner in Streifen. Was muss das Zeug schon groß können? Heißen Wachs auf meine Beine und später mit den Haaren dran wieder davon weg transportieren. Kein Problem. Ich bin so weit. Schön ein Tüchlein sachte mit den Fingerspitzen durch den Wachs und - Aaaaaaaaaaaaaargh!!!!!!!!! Ist DIE Plürre heiß!! Aua! Aua! Aua! - In diesem Fall hätte der Durchschnittssanitäter vermutlich Verbrennungen 2. Grades diagnostiziert. Hätte er aber leider doch wieder nicht gekonnt, denn nach dem ersten Schock halte ich mir weinend zu Boden sinkend Wade samt Tuch, wo der Wachs langsam erkaltet und zu einer ohne chirurgischen Eingriff nicht mehr trennbaren Einheit mit meiner haarigen Haut verschilzt.

Heißwachs ist doof. Ich verzichte auf eine Klage gegen die Herstellerfirma (die haben ja eh nix in Äthiopien) und bestelle mir einen Epilierer. Die moderne Frau wachst sowieso nicht mehr. Einmal zoomzoom, und das Zeug verschwindet für Wochen, wenn nicht Monate, wie von selbst. Die paar Tage bis zum Eintreffen meines kleinen Helfers lasse ich "stehen" - schließlich soll et sich lohnen. Endlich isser da! Irgendwie kriege ich die Stunden bis zum Feierabend rum, freue mich auf meine glatte, haarlose, sexy Haut. Ich mache mir ein Bierchen auf, entblättere mich, setze den Epilierer auf Knöchelhöhe an und los!
Einen winzigen Hinweis hätte ich dem Hersteller dieses HighTech-Gerätes sehr gedankt: NICHT zu allgemein vereinbarten Ruhezeiten anwenden! Oder ohne ein Schild in den Hausflur zu hängen "Leute, kann heute lauter werden, macht Euch keinen Kopp." Ich schreie wie am Spieß, während sich Edward mit den Scherenhänden in robuster Rasenmähermanier durch mein Fell in Richtung Knie frisst. Nachdem ich meine Nachbarin beruhigt und die Polizei wieder weggeschickt habe, begutachte ich das Ergebnis mit tränenverschleiertem Blick: Jo - datt kann watt! Nicht ein Härchen wagt sich mehr an die Oberfläche der im Autopilot gemähten Schneise. Datt iss die Sache wert! Ich wechsle von Bier auf Wodka und stecke mir ein Handtuch als Knebel in den Mund. Das habe ich früher in den Western gesehen, immer, wenn sie einem ein Bein abgenommen haben. Wird schon klappen. Klappt. Eine halbe Stunde später falle ich völlig betrunken, erschöpft, vor allem aber mit babyglatter supersexy Haut ins Bett. Es ist vollbracht! - Morgens erst mal ein fröhlicher Blick unter die Bettdecke. Wow! Ich fühle mich so sexy mit meiner glatten Haut!! - Das muss schlechterweise wohl auch reichen, denn zeigen kann ich mich so in den nächsten Tagen niemandem. Nicht mal einem Sanitäter: Jedes einzelne der ausgerupften, Schuldigung: epilierten Härchen hat eine kleine, pustelig erhabene Stelle hinterlassen. Wie Grabsteine ragen sie zu Tausenden aus meinen Beinen. Als ob ich ein Bad in Brennesseln genommen hätte. Shit! Schnell Duschen! Vielleicht hilft´s. Heißes Wasser ist nicht gut. Kaltes auch nicht. Duschgel ist nicht gut, Eincremen versuche ich erst gar nicht. Ich packe mich in eine weite Hose und fahre zur Apotheke, Bepanthen kaufen. Familienpackung. Und als eine gute Woche später die Pusteln weg sind und das Jucken aufhört, sind auch die ersten Härchen wieder da.

Wir haben uns inzwischen arrangiert, mein Hauthaar und ich: Lange Hosen. Und die Artikel über das, was ER wirklich im Bett will, können von mir aus auch in Zukunft andere, weniger rassige Frauen schreiben als ich. Mir doch wurscht...

This page is powered by Blogger. Isn't yours?